Auf dem Weg zum nahezu klimaneutralen und klimaangepassten Gebäudebestand stehen insbesondere historische Stadtkerne vor großen Herausforderungen. Diese stehen sowohl als Ensemble als auch als Einzelgebäude zu weiten Teilen unter Denkmalschutz und müssen für nachkommende Generationen auch im Sinne des Denkmalschutzes erhalten bleiben. Eingriffe in die Bausubstanz können daher nur bedingt erfolgen.
Lemgo, als ein Vertreter der historischen Stadt- und Ortskerne, hat sich für das Sanierungsgebiet Historischer Stadtkern und Erweiterungsbereich auf den Weg gemacht folgende Ziele in Einklang zu bringen:
- Erreichung des Ziels der CO2-Neutralität (Decarbonisierung)
- Sicherung der historischen Bausubstanz (Sanierung)
- Erhalt des Erscheinungsbildes und der Attraktivität der historischen Altstadt für Besucher (Satzungsrecht)
- Erhalt/Steigerung der Attraktivität der historischen Altstadt als Wohnumfeld (Aktivierung von Leerständen/Leerstandskataster)
- Anpassung der Stadtstruktur – hier der historischen Stadtstruktur- an die Klimafolgen (Klimafolgenanpassungskonzept zum ISEK, geplant für 2021)
Hauptstrategien sind zum einen, die Wärmeversorgung, die durch Fernwärme bereitgestellt wird, regenerativ zu gestalten und zum anderen leerstehende, sanierungsbedürftige Immobilien mit neuen Nutzungen zu füllen und zu mobilisieren. Hinzu kommt, die Klimafolgenanpassung im Stadtkern sukzessiv im Rahmen von Städtebauförderprojekten umzusetzen.
Maßnahmen zur Erreichung des Zieles Klimaneutralität finden Sie in den Konzepten „Konzept klimaneutraler Stadtkern“ (2016) und „Quartierskonzept Stadtkern und Erweiterungsbereich“ (2019).
Decarbonisierung
Dazu wurde in den Jahren 2016, 2019 und 2022 ein Konzept (Klimaneutraler Historischer Stadtkern und Erweiterungsbereich) erstellt, das insbesondere die Möglichkeiten der Decarbonisierung der Wärmeversorgung untersucht. Der Stadtbereich „Historischer Stadtkern und Erweiterungsbereich“ ist deshalb als erstes Untersuchungs- und Umsetzungsgebiet ausgewählt worden, weil er einerseits durch seine Kompaktheit und seine Nutzungsvielfalt eine schon seit Jahrhunderten bewährte städtebauliche Form der ressourcenschonenden Flächennutzung darstellt, andererseits aber durch den großen Baudenkmalbesatz hinsichtlich einer energetischen Sanierung des Gebäudebestandes und der Nutzung regenerativer Energien auch besondere Herausforderungen beinhaltet. Weiterhin wird in diesem Quartier derzeit kontinuierlich das Fernwärmenetz ausgebaut und verdichtet, was aussichtsreiche Chancen auf dem Weg zur Klimaneutralität für den historischen Stadtkern und die Kernstadt Lemgos darstellt.
Das Modellprojekt „Wärme aus Abwasser“ ist umgesetzt, die Wärmepumpe ist in Betrieb genommen. Derzeit wird der daraus resultierende, regenerativ erzeugte Wärmenutzen bilanziert. Erste Schätzungen seitens der Stadtwerke gehen davon aus, dass der historische Stadtkern – innerhalb der Wälle – in Bezug auf die Wärmemengenverbräuche aus Fernwärme schon heute zu 2/3 klimaneutral ist.
Aktivierung von Leerständen und neue Nutzungskonzepte
Neben zahlreichen erfolgreichen Sanierungen von Einzelobjekten kommt der Mobilisierung von leerstehender Bausubstanz eine große Bedeutung zu. Jede Wiedernutzung bereits gebauter Bausubstanz leistet einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Vermeidung von Flächenverbrauch. Ein prominentes Beispiel dafür ist Haus Wippermann (derzeit in Bau). Das als REGIONALE Projekt ausgezeichnete Bauvorhaben steckt mitten in der Bauphase.
Neue Nutzungskonzepte im Bestand – am Beispiel Haus Wippermann
In dem 1576 erbauten Fachwerkhaus im Zentrum von Lemgo war lange eine Destillationsanstalt ansässig. In Zukunft soll das Denkmal ein lebendiges Quartierszentrum in der historischen Innenstadt werden. Die VHS Lemgo-Detmold wird hier als Ankernutzerin einziehen und mit unterschiedlichen Partner*innen gemeinsame Angebote auch im Bereich der Integration und Inklusion entwickeln. Ein „Institut für Wissenschaftsdialog“ der Technischen Hochschule OWL und Räume für ehrenamtliche Aktivitäten ergänzen diese Angebote. Die Planung erfolgt durch die Gebäudewirtschaft Lemgo (GWL) in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege und zukünftigen Nutzer*innen. Die energetische Ertüchtigung des Baudenkmals ist neben vielen anderen Punkten selbstverständlich.
Leerstandskataster und Leerstandsmobilisierung
Der historische Stadtkern Lemgo ist der Teil der Stadt, der innerhalb der historischen Wallanlagen liegt. Innerhalb des Walls liegen 897 Gebäude, davon 296 denkmalgeschützt. Das sind 33 % des Gebäudebestandes! Von diesen Gebäuden sind 75 % vor 1859 errichtet.
Im jüngst verabschiedeten Handlungskonzept Wohnen sind die Leerstände der ca. 850 Gebäude erfasst worden. Ergebnis ist, dass ca. 100 Gebäude als unbewohnt gelten. Das ist eine Leerstandsquote von 12 % – diese Quote soll verringert werden.
Im Rahmen des Quartiersmanagements findet derzeit ein Förderprojekt statt (Städtebauförderung und KFW 432), welches eine aktive Eigentümerberatung von leerstehenden Obergeschossen und Immobilien beinhaltet und die gemeinsame Ausarbeitung eines Nutzungs-, Sanierungs- und Finanzierungskonzeptes zum Ziel hat. Projektziel ist, mindestens 10 Objekte in die Nutzung zu bringen.
Das Projekt läuft, die Eigentümerbefragung ist ausgewertet. Dabei wurden ganz unterschiedliche Gründe für die Leerstände genannt: z. B. Brandschutz, Denkmalschutz, bauliche Besonderheiten bei der Erschließung der Obergeschosse, hohe Sanierungskosten, Verwaltungsaufwand für die Vermietung etc.
In einem zweiten Schritt nach der Befragung wird ein Beraterteam (Stadt, Architekt*innen, Denkmalpflege) zunächst 5-6 Gebäude besichtigen und im Anschluss ein Nutzungskonzept mit Kostenschätzungen für den Eigentümer ausarbeiten, um die Leerstände zu mobilisieren. Weitere Gebäudeberatungen soll es nach dieser ersten Beratungsoffensive geben. Das Projekt ist durch das MHKBG des Landes NRW gefördert, so dass die Eigentümer diesen Service kostenlos in Anspruch nehmen dürfen.
Pandemiebedingt musste der für November 2020 vorgesehene zweite Schritt ins Jahr 2021 geschoben werden, da keine vor Ort Beratungen erfolgen durften.
Wir bleiben aber dran, da jeder wiedergenutzte Leerstand einen Beitrag zum Ressourcen- und Klimaschutz bedeutet!
Entsiegelungsmaßnahmen und Schaffung von Grün- und Freizeiträumen
Zur Klimafolgenbewältigung z. B. Hitze und Starkregen / Hochwasser sind die Erhaltung und Schaffung von Grünräume in der Stadt, die Entsiegelung von Flächen und auch die Inwertsetzung bereits bestehender Grünräume und Frischluftschneisen eine kleine Auswahl an Themenkomplexen, die in Lemgo, insbesondere auch im kompakten historischen Stadtkern, im Zuge der Stadtsanierung und des Hochwasserschutzes und Gewässerausbaus bearbeitet werden. Näheres hier.
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Links
Videos
Die Hintergrundreportage (Jörg Moll Filmproduktion)
In dieser Hintergrund-Reportage wird der Weg aufgezeigt, den Lemgo eingeschlagen hat, um möglichst zeitnah eine klimaneutrale Wärmeerzeugung zu erreichen.
Ein Film von Jörg Moll Filmproduktion
Der Film zeigt, wie in Lemgo an der Wärmewende gearbeitet wird, für eine frühzeitige Erreichung der Klimaneutralität mit Hilfe erneuerbarer Wärme.
Podcasts
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#1 Klimaschutz – was tut sich in der Alten Hansestadt Lemgo?
In der ersten Folge trifft Stadtwerker Tobias Schönhoff den Leiter des Lemgoer Bauamts zum Gespräch über Klimaschutz, die Historische Innenstadt im Wandel der Zeit sowie kulinarische Vorlieben von lippischer Palme bis Rotwein.